Die 3 Fraktionen der SVP, FDP und der Mitte (ohne glp) haben zwei Handlungspostulate zum Energieplanungsbericht 2022 des Regierungsrates eingereicht (siehe dazu dem Organ der Wirtschaftskammer Baselland «Standpunkt der Wirtschaft» sowie die heutige Berichterstattung der bz Basel.
Wir können das Vorgehen und den Inhalt aus folgenden Gründen NICHT unterstützen:
1. Vorschläge Regierungsrat
Wir unterstützen das Vorgehen des Regierungsrates vollumfänglich. Insbesondere rechnen wir es dem Regierungsrat hoch an, dass er dort, wo er kann, seine Kompetenzen wahrnimmt und schon Sofortmassnahmen ergreift und umsetzt. Damit nimmt der Regierungsrat seine Führungsrolle wahr. Zu allen Massnahmen, die der Regierungsrat nicht eigenständig erlassen kann und die unter den Bürgerlichen umstritten sind, läuft ja eine Vernehmlassung, in welcher sich alle interessierten Kreise einbringen können. Hier von einem Demokratiedefizit zu sprechen entbehrt unserer Meinung nach jeglicher sachlichen Grundlage. Zudem ist der Regierungsrat bürgerlich dominiert, mindestens ein Regierungsratsmitglied der bürgerlichen Parteien muss also den Vorschlägen zugestimmt haben (wir vermuten beim Energieplanungsbericht 2022 gar Einstimmigkeit). Somit stellt sich uns auch die Frage, ob die 3 bürgerlichen Parteien nicht auch ein Kommunikationsproblem mit ihren jeweiligen Regierungsratsmitgliedern haben.
2. Massnahmenstopp
Die genannten Massnahmen zu stoppen, erachten wir als wahlkampftaktisches Manöver konservativer Kreise und bürgerlicher Exponenten, die der Wirtschaftskammer nahestehen, um die Energiewende zu verlangsamen oder gar zu torpedieren. Dazu bietet die GLP keine Hand. Alle Sofortmassnahmen, welche der Regierungsrat sofort gemäss seiner Kompetenz umsetzt, stehen in keinem sachlichen Zusammenhang mit den umstrittenen Massnahmen wie Heizungsersatz oder Stromerzeugungspflicht und sollen auf keinen Fall sistiert werden. Beispielsweise Massnahme 12 „Beschleunigung des PV-Ausbaus auf kantonseigenen Gebäuden“ erachten wir schon längst als überfällig, unabhängig vom „Energieplanungsbericht 2022“. Es erstaunt doch sehr, dass Parteien, die sich laufend zu einem effektiven Klimaschutz bekennen, sich nun vor den Karren der SVP und der Wirtschaftskammer spannen lassen.
3. Dramatisch verschärfte Versorgungslage
Genau wegen der im Postulat erwähnten „dramatisch verschärften Versorgungslage“ aufgrund des völkerrechtswidrigen Ukrainekrieges sollten Massnahmen, die zu einer Erhöhung des Selbstversorgungsgrades mit einheimischer Energie führen (sprich Sofortmassnahmen des Regierungsrates), schnell und speditiv umgesetzt werden, sicher aber nicht gebremst oder gar gestoppt werden. Hier einen Marschhalt zu fordern, bis sich der Landrat formell zum Bericht geäussert hat und erst anschliessend Massnahmen zu ergreifen, zeigt, dass es den Verfassern der Handlungspostulate einzig um eine Verzögerungstaktik durch überspitzten Formalismus geht. Wahrscheinlich möchten sie die konkreten Diskussionen am liebsten auf die Zeit nach den Regierungsratswahlen verschieben. Entfalten hier schon die Ankündigungen der Grünen und der SP Wirkung, dass sie jeweils mit zwei Kandidaturen antreten wollen und somit die Bürgerlichen schon nervös werden ?
4. Strommangellage
ETH-Professor Anton Gunzinger hat mit seinen Simulationen des Energiesystemes Schweiz (Buch „Kraftwerk Schweiz - so gelingt die Energiewende“) längst bewiesen, dass die Schweiz problemlos und vollständig mit dezentral produzierter, erneuerbarer Energie versorgt werden kann – auch im Winterhalbjahr. Die aktuellen Diskussionen um eine angebliche Strommangellage erachten wir als Versuch der Atom- und Gaslobby, ihre Pfründe zu retten.
5. «Versorgungssicherheit» und «Strommangellage»
In den beiden Handlungspostulaten wird moniert, dass der Regierungsrat die Themen «Versorgungssicherheit» und «Strommangellage» nicht ausreichend berücksichtigt habe. Hier hat der Regierungsrat jedoch wenig Kompetenzen. Das Bundesgesetz über die Stromversorgung (Stromversorgungsgesetz, StromVG) weist in Kapitel 2 «Versorgungssicherheit» klar dem Bund (zwar unter Einbezug der Kantone) die Kompetenzen zur Sicherstellung der Versorgung bei einer Gefährdungslage zu (Art. 9ff). Insbesondere soll der Bund Massnahmen treffen zur: «Beschaffung von Elektrizität, insbesondere über langfristige Bezugsverträge und den Ausbau der Erzeugungskapazitäten» (Art. 9 Abs. 1 lit. b). Folgender Schwerpunkt wird in Art. 9 Abs. 3 explizit verlangt «Bei der Elektrizitätsbeschaffung und beim Ausbau der Erzeugungskapazitäten haben erneuerbare Energien Vorrang.». Diesen Punkt erfüllen die vorgeschlagenen Massnahmen des Regierungsrates vollumfänglich. In dem genannten Gesetz werden hingegen den Kantonen vor allem Kompetenzen im Bereich Konzessionen für Netzbetreiber zugewiesen. Somit bleibt offen, was denn die Urheber der Handlungspostulate vom Regierungsrat überhaupt bezüglich «Versorgungssicherheit» und «Strommangellage» erwarten, besitzt doch der Regierungsrat hier kaum Kompetenzen. Es stellt sich hier die Frage, welchen Kenntnisstand zum gesetzlichen Rahmen der Schweizer Energielandschaft die Urheber der Handlungspostulate überhaupt haben.
6. Sehr weitreichende Massnahmen
Es wird durch die Unterstützer der Handlungspostulate stipuliert, dass es sich um sehr weitreichende und «extreme» Massnahmen handeln würde, was überhaupt nicht stichhaltig ist. So wäre der Kanton Baselland selbst mit der Einführung aller genannten Massnahmen keinesfalls an vorderster Front im interkantonalen Vergleich bezüglich Energiegesetzgebung: Diverse Kantone haben schon heute weitreichendere Massnahmen in Kraft gesetzt oder sind damit schon weiter im parlamentarischen Prozess (hier beispielhaft nur 3 Kantone erwähnt):
- Kanton Zürich
Öl- und Gasheizungen müssen künftig am Ende ihrer Lebensdauer durch klimaneutrale Heizungen ersetzt werden, wobei es Ausnahmeregelungen zur Vermeidung von Härtefälle gibt. Es wird zudem eine Eigenstromerzeugungspflicht bei Neubauten eingeführt. - Kanton Glarus
Neubauten müssen ihren Wärmebedarf in Zukunft ganz ohne CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen erzeugen. Das gleiche gilt für den Ersatz bestehender Heizungen. Bei Bauten der öffentlichen Hand muss die Wärmeversorgung bis zum Jahr 2040 zu 90 Prozent ohne fossile Brennstoffe erfolgen. Zudem enthält das neue Energiegesetz eine Pflicht zur Eigenstromerzeugung von Neubauten. Glarus hat damit eines der strengsten Energiegesetze der Schweiz eingeführt. - Kanton Basel-Stadt
Ende 2021 wurde die Motion Stöcklin an den Regierungsrat zur Ausarbeitung einer Vorlage überwiesen. Damit müssten grundsätzlich alle Bauten im Kanton Basel-Stadt, die gut bis sehr gut geeignete Dachflächen, Fassaden oder andere Oberflächen haben, einen Teil der von ihnen benötigten Energie erneuerbar selbst produzieren. Für Neubauten soll dies ab Inkrafttreten der neuen Regelung gelten, für bestehende Bauten ist eine Übergangsfrist von 15 Jahren vorgesehen, wobei die solare Nutzungspflicht früher eintritt, wenn bewilligungspflichtige bauliche Massnahmen von grösserem Umfang getätigt werden (z. B. Erweiterungsbauten, Dachsanierungen, grössere Fassadenarbeiten etc.).